Der heutige Blogeintrag liegt mir sehr am Herzen. Das tun sie natürlich alle, aber dieser berührt mich nochmal auf eine andere Art und Weise. Ich möchte ihn lieben Freunden widmen. Danke, dass wir Euch begleiten und so intensiv an Eurem Leben teilhaben durften. Das ist für Euch, für Paula und für Sam.
Ich möchte von Erlebnissen der letzten Monate berichten, in denen so viel Trauriges und doch Wertvolles gesteckt hat. Und es gab ganz viele wunderbare kleine Herz-Momente, die mich inspiriert haben, das hier zu schreiben…
Es sind nicht „nur Haustiere“…
Die Hunde von Freunden sind gestorben. Beide. Innerhalb weniger Monate. Manch einer mag jetzt denken, dass es ja „nur“ Hunde oder „nur“ Haustiere waren. Wer selbst mit einem Hund zusammen lebt oder gelebt hat weiß, dass das nicht weniger schmerzt als der Verlust eines geliebten Menschen. Vielleicht anders, aber bestimmt nicht weniger.
Der erste Hund war sehr alt und hatte diverse Krankheiten. Er war schon seit vielen Jahren krank, bekam regelmäßig Medikamente, besuchte regelmäßig Ärzte. Es war irgendwie sichtbarer, klarer, dass er irgendwann in nicht allzu fernen Zukunft sterben würde.
Sam
Er erwies sich als Kämpfer, der noch viele Monate länger durchhielt, als manchmal erwartet wurde. Ich habe ihn in dieser Zeit etwas kennenlernen dürfen. Sam, der einen gerne mal anrempelte, weil er nicht mehr gut schauen konnte. Der ziemlich wackelig auf den Beinen war und eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um wieder auf die Beine zu kommen, wenn er lag. Sam, der sanft und ruhig war, sich über Streicheleinheiten freute und teils auch so verpeilt, dass er uns sehr zum Lachen brachte.
Es ist wichtig, Kinder mit einzubeziehen
Mit M., der Tochter wurde bereits vor vielen Monaten begonnen, über Sams Gesundheitszustand zu sprechen und auch darüber, dass er irgendwann sterben wird. Es rutschte immer wieder mehr in den Alltag und wurde präsenter, wenn er schlechte Tage hatte.
Als es tatsächlich an der Zeit war und sein Zustand sich so verschlechtert hatte, dass die Tierärztin ihn am folgenden Tag einschläfern würde, war es trotzdem für alle überraschend und fühlte sich unvorbereitet an.
Am Vormittag habe ich lange mit meiner Freundin telefoniert. Es brauchte überhaupt erstmal einen Rahmen, in dem all das Gedanken- und Gefühlschaos ausgesprochen werden konnte. Dann konnte etwas sortiert und reingefühlt werden.
Wir haben überlegt, wie sie es ihrer Tochter sagen könne, überlegt, was sie machen könnten und wie man das Ganze „gut“ einbetten könnte, um ihm einen würdigen Abschied zu bereiten. Außerdem und das empfinde ich als ganz wichtig, wie die Kleine mit einbezogen werden könnte.
Kinder wissen, was sie brauchen
Ich erzählte meinen Kindern am Nachmittag davon und sie waren ebenfalls sehr traurig. Ich fragte, ob wir etwas für die Freunde machen wollten, Bilder malen oder etwas ähnliches, um es am nächsten Tag vorbei zu bringen. Mein Gedanke war es, zu zeigen, dass wir da sind, uns aber zurückzunehmen, damit sie diese kostbare letzte Zeit für sich und miteinander haben könnten. Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne meine Kinder gemacht.
Sie forderten mit Nachdruck ein, nicht erst am nächsten Tag dorthin zu wollen, sondern direkt, weil sie Sam natürlich nochmal sehen und ihn verabschieden wollten. Aber vorher müssten wir nach Hause und Bilder für die Freundin malen. Oh man… Ich war so gerührt und verliebt und geplättet. Und ich hatte außerdem Sorge, die Ruhe und das Miteinander der Familie zu stören.
Gemeinsames Verabschieden
Dem war zum Glück nicht so. In all der Traurigkeit hatten sie sich trotzdem überlegt, Sam einen ganz liebevollen Abschied zu gestalten. Freunde und Familienangehörige wurden informiert und wer mochte, konnte vorbei kommen, um noch etwas Zeit mit ihm zu verbringen. So passte es, dass auch wir noch dort waren.
Sam lag in der Mitte des Raumes und einer war eigentlich immer an seiner Seite. Das war sehr schön zu erleben.
Vorab malten wir allerdings Bilder. Wir hatten verschiedene Papiere und Stifte, Kreiden etc. zur Auswahl. Es entstanden viele Regenbögen. Vorzugsweise mit bunter Pastellkreide auf schwarzem Karton. Fand ich sehr beeindruckend, wie sich so kreative Dinge immer wieder finden und das Innere nach außen darf.
So auch bei meinen Kindern bzw. bei uns allen. Sie haben sich teilweise an meinem Bild orientiert und dann ihr eigenes daraus gemacht. Alles sehr sinnbildlich. Und vor allem ist direkt etwas in Fluss gekommen, was so wichtig ist.
Mit Kindern kann man sich so wunderbar unterhalten, wenn sie kreativ kruschteln. So auch in diesem Fall. Ihre Fragen zu der Situation kamen nach und nach und so waren sie nicht mehr verunsichert, als wir uns auf den Weg gemacht haben.
Kinder trauern in „Pfützen“
Die Bilder haben die Tochter sehr erfreut und auch die Mama war dankbar für unseren Besuch. Es dauerte nicht lange, bis die Kinder sich zum Spielen verkrümelten. Typisch Kinder, sie werden nicht ohne Grund auch „Pfützenspringer“ genannt. Eben noch tief traurig und im nächsten Moment ausgelassen am Spielen. Das ist gut so, es ist genau das dran, was geht. Und auch uns Erwachsenen hat der Tee in Ruhe und das Gespräch ohne acht Kinderohren drumherum gut getan.
Am nächsten Tag hatten die drei den Tag für sich. Jeder hatte seine Zeit allein mit Sam und auch gemeinsam wurde nochmal gekuschelt und geschmust. Am Nachmittag kam die Tierärztin, eine Freundin der Familie, was ich ganz schön finde.
Die letzten Stunden
Sam ist im Kreise seiner Lieben und natürlich im Beisein des zweiten Hundes, Paula, eingeschlafen. Sie hatten dann noch gemeinsame Zeit miteinander. So konnten alle, inklusive Kind und Hund die Veränderung wahrnehmen, die nach dem Tot eintreten und wirklich begreifen, dass Sam nicht mehr lebendig ist.
Später kam ein Mitarbeiter des Krematoriums, um Sam bzw. sein Körper abzuholen. Den Termin dafür hatten sie bereits am Vortag gemacht, so dass ganz geregelt und klar war, dass und wie lange sie ihn noch bei sich haben würden.
Wohltuende Rituale
Mama und Tochter hatten am Vormittag noch zwei Decken gekauft. In die eine wurde Sam eingewickelt, die andere bekam die Tochter. Außerdem haben sie eine Kerze beschrieben und beklebt und diese für ihn angezündet. Sie haben Bilder von ihm raus gesucht und aufgehängt.
Solche Dinge sind es, die ich eingangs mit „gut eingebettet“ gemeint habe. Es fühlt sich meist gut an, etwas tun zu können und einen geschützten Rahmen dafür zu haben. Man bleibt handlungsfähig, anstatt in Starre zu verfallen.
Heutzutage sind Rituale, die früher im Falle des Sterbens und des Todes normal waren nicht mehr gängig, daher fühlen sich einige Menschen hilflos und ohnmächtig, wenn sie damit konfrontiert sind. Wenn man sie gedanklich an die Hand nimmt und Möglichkeitsräume schafft, finden sie meist etwas, was sie anspricht und sich „gut“ und „richtig“ anfühlt.
Möglichkeitsspielräume
So hat es sich auch mit der Urnenwahl gestaltet. Es brauchte etwas Zeit. Klar war, sie sollte allen gefallen. Da die Gesetzeslage sehr viel liberaler ist, was die Verwahrung der Asche von Tieren angeht, hat man übrigens viel mehr Möglichkeiten als bei einem verstorbenen Menschen. Nach knapp zwei Wochen war Sam wieder da. Nicht mehr in der vertrauten Form und trotzdem fühlte es sich nach „wieder zu Hause sein“ an. Statt einer handelsüblichen Urne haben sie ein Gefäß mit festem Deckel in einem Keramikladen gemeinsam angemalt und für Sam gestaltet.
So ist er auch jetzt nach vier Monaten nach wie vor ganz präsent. Es ist klar, wo er seinen letzten Platz bekommen soll. Das soll einem feierlichen Rahmen stattfinden. Aber erst, wenn es wärmer ist. Und wenn dann doch nicht, dann eben nicht. Ich bin davon überzeigt, dass der Bauch einen in so einer Entscheidungsfindung ganz wunderbar leitet.
Paula
Wir bereits am Anfang geschrieben, gab es in der Familie zwei Hunde. Gemeinsam mit Sam lebte in der Familie nämlich noch Paula. Für mich persönlich der freundlichste und friedlichste Hund der Welt. Sehr groß und fröhlich und sanft.
Eine Therapiehündin mit ziemlich Bums im Schwanz und im Po. Da konnte schonmal eins meiner Kinder ins Wanken geraten, wenn der im Freudentaumel abbekommen wurde. Paula war ebenfalls nicht mehr die Jüngste und doch deutlich vitaler und fitter. Und frech, sie soll seeehr frech gewesen sein.
Paula hat nach Sams Tod Halt gegeben. Die Strukturen blieben irgendwie bestehen. Es wurde weiterhin spazieren gegangen und Futter eingekauft. Die Hundeplätze waren weiterhin da und es wuselte auch weiterhin wenigstens ein Hund durch die Wohnung. Sie rückte mehr in den Fokus.
Auch sie baute körperlich ab
Nach ein paar Wochen wurde deutlich, dass sie irgendwie „älter“ wirkte. Sie bewegte sich schwerfälliger, musste öfter zum Arzt, bekam Medikamente. Hatte das vorher weniger gewirkt, weil es bei Sam ausgeprägter war? Fand sie jetzt den Rahmen, das zu leben, weil sie vorher zurückgesteckt hatte? Baute sie gerade so schnell ab? Machte ihr die Situation noch so zu schaffen?
Es kam der Tag, an dem sie innerhalb eines vormittags so abbaute, dass nochmal die Tierklinik aufgesucht wurde. Die Untersuchung zeigte mehrere Tumore und einen Zustand, der nicht mehr verbessert werden konnte. Ein Schock. Keine drei Monate nach Sams Tod.
Viel weniger Zeit
Diesmal alles ganz anders. Es brauchte ein schnelles Handeln, es gab keinerlei Rahmen, sich dieser Situation in Ruhe und vorbereitend zu nähern. Es blieben nur wenige Tage hieß es. Dann wurde es so schlimm, dass klar wurde, dass noch am selben Tag gehandelt werden müsse.
Die befreundete Tierärztin hatte diesmal nicht die Möglichkeit zu begleiten, also auch das unvertraut. Keine Möglichkeit, einen Abschied zu planen. Freunde und Menschen mit einzubeziehen. Die Tochter vorzubereiten. Irgendwas vorzubereiten. Das Geschehene zu verstehen und Sacken zu lassen.
Auch uns hat es sehr getroffen. Die Kinder sind auf sehr unterschiedliche Arten mit der Situation umgegangen. Sie wollten hin, diese Zeit im Vorfeld gab es aber diesmal nicht. Ich wollte nicht in diese kurze Zeit, die überhaupt noch blieb, eingreifen. Und doch wollte ich etwas tun.
Auf dem Weg kam zum Glück noch die Intuition zurück. Wir besorgten eine Decke, so eine, wie bereits Sam bekommen hatte, sowie eine Kerze, die sie auch kurzfristig beschreiben und anzünden könnten. Als wir die Dinge an den Zaun gehängt hatten kam der Anruf.
Die individuellen Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen
Ob wir vielleicht die Tochter mitnehmen könnten? Ihr wäre so sehr nach spielen und den Eltern gerade gar nicht. Außerdem würden sie Paula noch zum Krematorium bringen wollen, das Abholen hatte sich bei Sam nicht wirklich gut angefühlt.
So waren wir dann doch dort und haben sie verabschieden können. Ich habe mal wieder sehr über meine tollen Kinder gestaunt. Sie waren alle dafür und wollten mit zu ihr. Ich habe ihnen erzähl, was sie erwarten würde und es gab kurz Raum für fragen. Und dann los.
Sie haben sie gestreichelt und gekuschelt. Sie waren natürlich sehr traurig. Sie waren aber auch sehr neugierig, das habe ich beobachten können. Wieder dieses tatsächliche be-greifen.
Wir haben dann zu Hause alle gemeinsam für Paula gebastelt, Die Mädels haben Steine und Lichtertüten bemalt, ich ein Teelichtglas und einer der Jungs hat eine Karte geschrieben, was bei ihm der Punkt war, dass die Tränen fließen konnten. Mein andere Sohn war dabei, wollte aber selbst nichts gestalten. Er brauchte eher Nähe und kuscheln.
Es sind wunderschöne Dinge entstanden, die dann am Abend bei unseren Freuden willkommen einen Platz fanden.
Der Tod des zweiten Hundes war ganz anders. Unvorbereitet und plötzlich. Und er zeigte die klaffende Lücke viel deutlicher auf. Keine Gassirunde und all das. Wirklich kein Hund mehr da und dass innerhalb so kurzer Zeit.
Raum fürs Erinnerung und Verabschieden
Wir haben uns eine Woche später getroffen und einen gemeinsamen Nachmittag bis in die Nacht verbracht. In diesem Rahmen haben wir ein paar Rituale einfließen lassen. Für diejenigen die das Bedürfnis danach hatten.
Der Gedanke war auch hier, nochmal etwas tut zu können, einen gemeinsamen Abschied „nachholen“ zu können, den Gedanken und Gefühlen einen Ausdruck zu geben. Ich habe es als sehr schön empfunden. Die Papas haben sich nicht aktiv beteiligt, sie waren aber im Hintergrund und trotzdem dabei und haben ein paar Dinge gesagt oder den Kindern geholfen. Ganz okay so, jeder braucht etwas anderes.
Wir Mamas haben mit den Kinder zuerst eine Erinnerungskette aufgefädelt. Eine bunte Perle für eine Erinnerung an Paula oder Sam. Oder sehr viele, wie die Kinder es eher praktiziert haben. Entweder still fädeln oder seine Erinnerung dazu erzählen. Das war total schön. Und traurig. Und lustig. Und beruhigend. Und verbindend. Und und und…
Später am Abend haben wir dann noch gute Wünsche für die zwei aufgeschrieben und aufgemalt und diese draußen ins Feuer geworfen, damit sie in den Himmel steigen können. Auch das war wirklich schön, vor allem für die Kinder.
Es darf Zeit brauchen
Nun müssen alle drei schauen wie es ohne Paula und Sam weitergeht. Es braucht bestimmt seine Zeit und es wird immer wieder Situationen geben, in denen es mehr da ist, dass sie weg sind. In denen es wieder weh tut. Ich bin sicher, dass sie ihren Weg machen werden. Sie sind eine tolle Familie und sie werden daran wachsen und noch mehr miteinander verbunden sein.
Ich bin sehr dankbar
Und ich, ich bin dankbar dafür, diesen Weg ein Stück mitgegangen sein zu dürfen. Ich bin dankbar dafür, meine Kinder in dieser Situation erlebt haben zu können. Und für eine weitere Sache bin ich ebenfalls sehr dankbar.
Meine Kinder hatten irgendwas zwischen leichter Angst und großem Respekt vor Hunden, bevor diese beiden in unser Leben gewuselt sind. Manchmal auch riesigen Schiss, je nach Situation. Mit Paula und Sam konnten sie ganz viele gute Erfahrungen sammeln und Vertrauen gewinnen. Danke Paula. Danke Sam.